«Evakuieren jetzt!»: Geflüchtet aus Griechenland aufnehmen

In Griechenland findet vor unserer aller Augen eine humanitäre Krise statt. Doch statt zu handeln wird die Verantwortung ständig hin und hergeschoben. So hat der Grosse Rat bereits zwei überparteiliche Vorstösse abgelehnt, weil der Bund schon genug mache. Dieser wiederum verweist auf die Kantone und die EU. Leidtragende sind die geflüchteten Menschen in den Lagern in Griechenland. Dabei hätten wir hier genügend Platz, um Menschen aufzunehmen und ihnen die Möglichkeit auf ein ordentliches Asylverfahren zu bieten. Mein Votum aus dem Grossen Rat.

Es gibt Zeiten, in denen schöne Ansprachen gehalten werden können – und Zeiten, in welchen gehandelt werden muss. Das ist der Aufruf des Osterappells «Evakuieren jetzt!». Darin wird gefordert, dass der Bund möglichst viele Geflüchtete aus der Ägäis in die Schweiz holt. Den Appell haben über 50 000 Menschen in der Schweiz unterschrieben – vor einem Jahr. Gehandelt wird immer noch nicht.

Auf den griechischen Inseln in der Ägäis ereignet sich vor unseren Augen eine humanitäre Katastrophe. Und wir schauen seit Jahren zu. Mehrere zehntausend Geflüchtete aus Kriegs- und Konfliktgebieten sind dort gestrandet, ohne dass sie Schutz erhalten. Die medizinische Versorgung ist nicht gewährleistet, und selbst das Recht darauf, ein Asylgesuch zu stellen, wurde zeitweise ausgesetzt.

Griechenland steht vor einer Herkulesaufgabe

Auch nach fünf Jahren haben es Griechenland und die EU noch nicht geschafft, menschenwürdige Bedingungen in den Lagern herzustellen und werden dies angesichts der Herkulesaufgabe auch nicht schaffen. Obwohl es kaum vorstellbar ist, verschlimmert sich das Leid der Menschen vor Ort von Monat zu Monat. Zu der katastrophalen Situation in den Camps kommen Corona, Erdbeben und Brände. Und der Winter.

Die unmenschliche Situation auf den griechischen Inseln ist eine Folge der europäischen Flüchtlingspolitik. Die Schweiz hat das Abkommen von Dublin mitunterzeichnet und jahrelang davon profitiert. Nach diesem Abkommen können Menschen nur in dem europäischen Land ein Asylgesuch stellen, in dem sie zuerst ankommen, beispielsweise in Griechenland. Jeder Dublin-Staat kann aber auch immer von sich aus auf Asylgesuche eintreten. Diese Möglichkeit muss die Schweiz jetzt nutzen.

Die Schweiz muss Verantwortung übernehmen

Aufgrund ihrer geographischen Lage im Herzen Europas ist die Schweiz nicht gleichermassen mit Asylgesuchen konfrontiert wie die Länder an den Aussengrenzen und profitiert deshalb in hohem Masse vom Dublin- System. Auch der Regierungsrat geht in seiner Antwort auf diese Ungerechtigkeit ein und «unterstützt die Haltung des Bundes, der sich auf europäischer Ebene seit Jahren mit Nachdruck für eine nachhaltige Reform des Dublin-Systems einsetzt. Eine gerechtere Verteilung der Verantwortung im Asylbereich ist unabdingbar und führt zu mehr Solidarität. »

Doch das dauert, wie der Regierungsrats selbst schreibt, schon Jahre. Und unterdessen verschlimmert sich die Lage in den Camps in Griechenland und in anderen Ländern an der Aussengrenze Europas dramatisch.

Ja, es müssen unbedingt gesamteuropäische Lösungen gesucht und gefunden werden. Doch währenddessen können die Geflüchteten nicht in den Camps ausharren.

Städte und Gemeinden zeigen sich solidarisch

Unter dem Motto das eine tun und das andere nicht lassen fordern National- und Ständerat mit der Motion 20.3143 «Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland sowie Reform des Dublin-Abkommens», dass die Schweiz mehr tun muss und schon heute aktiv wird und Geflüchtete aufnimmt. Seither haben bereits 25 Schweizer Städte und Dörfer mehrfach dem Bund ihre Bereitschaft signalisiert, Geflüchtete aus den Camps in Moria und Lesbos direkt aufzunehmen. Der Bund ging nicht darauf ein.

Was hat das mit dem Kanton Bern zu tun?

Wieso aber müssen wir hier im Grossen Rat des Kantons Bern darüber sprechen? Weil sich genau die Kantone bis jetzt vornehm zurückhalten. Dabei sind sie für die Unterbringung der Asylsuchenden zuständig.

Die Bereitschaft des Kantons Bern, zusätzlich zum definierten Verteilschlüssel Geflüchtete aufzunehmen, ist ein wichtiges Angebot an den Bundesrat, mit der Unterstützung eines grossen Kantons mehr Geflüchtete direkt aufzunehmen. Dies könnte auch andere Kantone dazu bewegen, sich anzuschliessen und einen Beitrag zur Lösung der humanitären Katastrophe in Griechenland zu leisten.

Wir haben im Rat bereits im Sommer einen entsprechenden Vorstoss diskutiert – damals wurde moniert, der Motionstext sei zu ungenau. Wir haben diese Kritik aus dem Rat aufgenommen und den Motionstext präzisiert. Der Regierungsrat schreibt in seiner Antwort nun auch nicht mehr, dass unser Anliegen unmöglich sei. Vielmehr schreibt er, er teile die Haltung des Bundesrats und unterstütze seine Handlungen und Prioritäten.

Der Bundesrat macht: Nichts.

Schauen wir uns diese Handlungen doch einmal an. Die Schweiz hat im September 2020, also vor einem halben Jahr, in Aussicht gestellt, 20 unbegleitete Kinder und Jugendliche aufzunehmen. 20. Insgesamt sind mehrere zehntausend Menschen in Griechenland gestrandet. Kommt dazu, dass diese 20 Kinder bis heute nicht in die Schweiz geholt wurden. Das ist angesichts der aktuellen humanitären Krise beschämend. Es ist zum Verzweifeln.

Gemeinsam für eine menschliche Asylpolitik

Lasst die Antwort des Kantons Bern auf diese humanitäre Krise sein, dass wir unseren Teil zur Bewältigung leisten wollen. Lasst uns genau das tun, was der Regierungsrat in seiner Antwort schreibt: Den Bund unterstützen. Lasst uns aktiv nach Lösungen suchen, gemeinsam. Lasst uns handeln.

Denn, so sagte Martin Luther King: „Das Beunruhigende ist nicht die Perversität der Bösen, sondern die Gleichgültigkeit der Guten.“

Ich bitte euch, unterstützt die Motion und beauftragt den  Regierungsrat, beim Bund vorstellig zu werden und seine Bereitschaft zu signalisieren, ein Kontingent von Geflüchteten, die in Griechenland gestrandet sind, aufzunehmen. In der Schweiz soll ihr Asylgesuch danach regulär behandelt werden.

Denn, so sagt Martin Luther King auch: „Es ist immer der richtige Zeitpunkt, um das Richtige zu tun.“

Vorstoss und Debatte im Grossen Rat

Unser Vorstoss wurde leider knapp abgelehnt. Den Motionstext sowie das Wortprotokoll der Debatte im Rat gibt es hier.

Der Bund behindert die Aufnahme von Geflüchteten

Einige Tage nach der Debatte und der knappen Ablehnung im Rat wurde bekannt, dass der Bund die Aufnahme von Geflüchteten bewusst behindert und die Städte und Gemeinden ins Leere laufen lässt. Den Bericht dazu gibt es hier.

Auch Köniz hat Platz!

Köniz soll sich den solidarischen Städten und Gemeinden anschliessen, die bereit sind, Geflüchtete aus den Griechischen Lagern aufzunehmen. Dies fordere ich für die SP zusammen mit den Grünen und Jungen Grünen in einem Vorstoss auf Gemeindeebene.

Für ein menschliches Asylwesen

Im Kanton Bern wurde mit NABE die Situation von Asylsuchenden und Menschen mit negativem Asylentscheid weiter verschlechtert. Mehr dazu hier.

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