Editorial im Innerorts: Eine kleine Schweiz
Liebe Könizer:innen
Es ist ein windiger Tag. Zusammen mit einem SRF-Journalisten nehme ich die vielen Stufen auf den Aussichtsturm des Gurtens. Das SRF will über unseren Hausberg senden und mich zu seiner Bedeutung befragen. Oben angekommen treffen wir auf eine Gruppe von Leuten, die nach Feierabend einen Teamerfolg feiern. Neugierig fragen sie nach, worum sich das Interview dreht und sind erstaunt: Die Gemeindepräsidentin von Köniz gibt Auskunft über den Gurten? Sind wir denn hier in Köniz?
Ja, erkläre ich ihnen, und zeige ihnen vom Aussichtsturm aus die Schönheit unserer Gemeinde: Unten am Gurten sehen wir gerade noch die Hochhäuser von Wabern, dann deutlicher das Spiegelquartier, den Liebefeldpark, Köniz Zentrum mit den alten Industriebauten, die klaren Siedlungsgrenzen von Schliern, die Hochebene Richtung Schwarzenburg und in der Ferne erstreckt sich das Wangental. Sie sind fasziniert und beeindruckt.
So oder ähnlich werde ich im Alltag immer wieder auf unsere Gemeinde angesprochen: Wieso ist Köniz keine Stadt? Oder ist es eine? Ja und nein: Köniz ist die 13. grösste Stadt der Schweiz, denn es wohnen fast 44’000 Menschen in unserer Gemeinde, also ungefähr gleich viele wie in Thun. Köniz entspricht aber nicht dem gängigen Bild einer Stadt, sondern ähnelt vielmehr einer kleinen Schweiz: Unsere Ortsteile funktionieren wie Kantone, mit einer eigenen Identität. Sie verteilen sich auf drei Täler zwischen Aare und Sense und reichen bis an den Kanton Freiburg. Es gibt urban geprägte und dicht besiedelte Ortsteile mit vielen Quartieren genauso wie idyllisch gelegene Dörfer mit prächtigen Bauernhäusern.
Weil Köniz nicht dem gängigen Bild einer Stadt entspricht, werden wir oft unterschätzt. Daraus ergeben sich im Alltag konkrete Probleme: So erhält Köniz heute als einzige der grossen Städte und Gemeinden im Kanton keine Anerkennung der Zentrumslasten. Dabei hat Köniz eine wichtige Scharnierfunktion zwischen Stadt und Land inne und erbringt viele Leistungen in den Bereichen Wirtschaft, Verkehr, Kultur und Sport, von denen auch die Bevölkerung anderer Gemeinden profitiert.
Köniz, die kleine Schweiz im Kanton Bern, ist eine Zukunftsgemeinde. Köniz vereint Stadt und Land und stellt den Service Public in einem grossen Flächengebiet sicher. Ein solches Gebilde wird vom heutigen Finanz- und Lastenausgleich des Kantons Bern ungenügend berücksichtigt. Gemeinsam mit den Grossrät:innen aus Köniz will der Gemeinderat dies ändern und hat dem Kanton Vorschläge unterbreitet, wie Köniz besser berücksichtig werden könnte. Entsprechende Entscheide vom Regierungsrat und dem Grossen Rat werden im 2024 erwartet.
Ein Mittag unter der Woche. Neben uns am Tisch im Restaurant Schichtwechsel sitzt eine Gruppe. Laut fragt einer seine Kolleg:innen, ob Liebefeld eigentlich noch zur Stadt Bern gehört. Nein, erklärt ihm sein Tischnachbar, hier sei man in Köniz. Köniz sei viel grösser, als man allgemein annehme. Ich lächle vor mich hin und geniesse mein Mittagessen.
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