1. August-Rede 2024 auf dem Blinzern-Plateau

Liebe Mitglieder des Vereins Blinzern-Plateau,
Liebe Gäste

Wie haben Sie bisher den Sommer verbracht? Waren Sie hier, haben die Region genossen, vielleicht das Gurtenfestival besucht? Oder sind sie für ein paar Tage verreist?

Ich habe in den vergangenen Wochen mit meiner Familie eine Sommerferien-Reise durch Kroatien, Bosnien und Italien gemacht. Ich reise sehr gerne mit dem ÖV in europäische Nachbarsländer und lerne Städte und Menschen kennen.

Obwohl so nahe, kenne ich den Balkan kaum. Überrascht hat mich die wilde, grüne, bergige Landschaft mit schönen Flüssen in Kroatien und Bosnien. Und natürlich die Städte, die wir in ausgiebigen Spaziergängen erkundet haben.

So standen wir am 11. Juli vor dem ausgesprochen schönen Rathaus von Sarajevo. Es war Mittagszeit, und sehr heiss. Die Fenster im oberen Stock standen offen, und drinnen wurde per Lautsprecher Namen verlesen. Eine endlose Liste von Namen. Es war Srebrenica Memorial Day.

Es war ein Zufall, dass wir gerade an diesem Tag von unserer Sommerferienreise hier standen. Es war schwer, den Kindern zu erklären, um was es hier geht, denn natürlich möchte ich sie vor dem Schrecken der Welt beschützen. Noch schwerer war es aber, ihre fassungslosen Fragen nach dem “Warum” zu beantworten.

“Warum kann so etwas passieren, Mama?” Sie wollten keine Erwachsenen-Antwort, die gelehrt Fakten rezitiert, Zusammenhänge erklärt, Daten aufzählt. Die Frage, die unsere Kinder angesichts des Weltgeschehens stellen, ist grösser: Wie können Menschen sich gegenseitig Schreckliches antun? Wieso kann es Krieg geben? Und wie können wir das verhindern?

Meine ehrliche Antwort darauf ist: Ich weiss es nicht. Mir scheint, es gibt dafür keine einfache Lösung. Aber, obwohl die Medien und die Geschichtsbücher oft die grosse Weltbühne und die Mächtigen beleuchten, glaube ich, dass wir dem Kleinen mehr Aufmerksamkeit schenken sollten. Dem Zusammenleben vor Ort.

Angesichts der grossen Krisen und Konflikte der Welt möchte ich daran erinnern, dass es nur zwei Arten gibt, Politik zu machen:

  1. Probleme bewirtschaften, die uns entzweien.
  2. Gemeinsam Lösungen suchen, die den Alltag der Bevölkerung besser machen.

Offene, vielfältige, demokratische Gesellschaften brauchen die zweite Art Politik: Die Vielfalt in der Einheit.

Ich bin überzeugt, dass gerade Gemeinde und Städte viel beitragen können. Denn hier spielt sich der Alltag der Menschen ab. Hier treffen Welten aufeinander, hier entstehen Verbindungen und gemeinsame Erfahrungen.

Darum ist es so wichtig, sich dort für die Gesellschaft zu engagieren, wo wir leben, in den Gemeinden und Städten. Und darum ist mein Amt als Gemeindepräsidentin so schön. Weil ich tagtäglich zusammen mit euch das Leben und den Alltag von 44’000 Menschen verbessern kann. Ich kann mir nichts Sinnvolleres vorstellen.

Gemeindepolitik ist sehr nahe bei den Menschen. Letztens stand ich mit meinem Velo vor dem Block, in dem wir wohnen. Eine Frau steuerte direkt auf mich zu, und sagte: “Euch kenne ich, ihr seid doch die!” Es entstand ein interessantes Gespräch über verschiedene Themen, die sie mit mir austauschen wollte.

So und ähnlich geht es oft. Und ich, die in einem sehr kleinen Dorf aufgewachsen bin, mag diesen direkten Austausch sehr. Die Begegnungen und Rückmeldungen helfen mir zu verstehen, wie es den Menschen geht und was sie bewegt. Sie zeigen mir aber auch die grosse Spanne an Erwartungen, Meinungen und Bedürfnisse, die es bei uns gibt.

Heute gibt es Landauf und Landab grosse Worte. Denn am 1. August sind alle versöhnlich und proklamieren Vielfalt in der Einheit. Im Alltag ist das dann gar nicht so einfach. Manchmal ist es sogar richtig schwierig. Denn es gibt berechtigterweise ganz unterschiedliche Erwartungen und Bedürfnisse in unserer Gesellschaft. Wie können wir uns da finden?

Anschauungsunterricht dafür gibt es: Hier bei uns. Köniz ist zwar mit 44’000 Einwohner:innen die 13. grösste Stadt der Schweiz, aber eben keine Stadt im herkömmlichen Sinn. Wir sind vielfältig wie eine kleine Schweiz. Oft wissen die Leute gar nicht, dass sie gerade in Köniz sind, weil die Ortsteile eine starke eigene Identität haben und auch so angeschrieben sind. Das ist schön und macht unsere Gemeinde aus. Bei uns bekommt der Ausdruck “Vielfalt in der Einheit” eine ganz konkrete Bedeutung im Alltag.

Im letzten November haben wir beispielsweise über die Erweiterung der Oberstufe Morillon abgestimmt. Umfang insgesamt: 37 Millionen Investitionsvolumen, rund das Doppelte, was wir jährlich als Gemeinde investieren. Die Zustimmung war sehr hoch. Auch Leute aus Thörishaus oder Oberscherli haben zugestimmt, obwohl ihre Kinder ganz sicher niemals in Wabern in die Schule gehen.

Wir beschliessen immer wieder über grosse Projekte, die im Alltag nicht von allen gebraucht werden. Und trotzdem werden sie in grosser Mehrheit mitgetragen. Darauf bin ich stolz, und für diese Solidarität möchte ich euch von Herzen danken.

So viel zur Vielfalt. Doch wie steht es mit der Einheit? Ich bin überzeugt, dass es auch wichtig ist, das Gemeinsame zu betonen. Die Badi Weiermatt oder der Gurten, die wir alle kennen und benutzen. Und natürlich unser Schloss.

Das Schloss ist das historische Zentrum von Köniz und der ganzen Region. Bereits heute werden die Räumlichkeiten vielfältig genutzt. Mit der Gründung der Stiftung Schloss Köniz möchte der Gemeinderat nun zusammen mit der Ev.-ref. Kirchgemeine Köniz und weiteren Stifter:innen ein generationenübergreifendes Projekt lancieren, um die Gebäude zu sanieren und das Potential des Schlosses besser zu nutzen. Das gäbe neuen Schub für eine erfolgreiche Weiterentwicklung dieses identitätsstiftenden Ortes. Also etwas, was gerade in der Willensgemeinde Köniz zentral ist.

Das Parlament wird an seiner nächsten Sitzung darüber entscheiden. Wenn der Entscheid positiv ausfällt, wird die Stimmbevölkerung im November über das Generationenprojekt abstimmen.

Neben gemeinsamen Projekten braucht es auch gemeinsame Erlebnisse, so wie euer Jubiläumsfest heute auf dem wunderschönen Blinzernplateau.

Oder wie am 7. September. Dann startet die erste Auflage des «Kulturfests Köniz». An zwölf Spielorten mit über 40 Veranstaltungen wird das Könizer Kulturschaffen zum gemeinsamen Erlebnis. Eine Möglichkeit, die Bevölkerung von Jung bis Alt aus verschiedenen Könizer Ortsteilen für ein gemeinsames Erlebnis zusammenzubringen. Ich hoffe, Sie dort wieder zu sehen.

Das zeigt, wie viele Menschen bei uns lokal in der Kultur aktiv sind. Genauso wie in zahlreichen Vereinen. Ich danke allen Engagierten von ganzem Herzen für ihren Beitrag.

Liebe Anwesende, unsere wichtigste Antwort auf die Krisen und Kriege ist Hoffnung. Die Hoffnung auf eine friedliche Welt, die jedes Kind in sich trägt.

Ich wünsche Ihnen einen schönen 1. August.

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2 Gedanken zu “1. August-Rede 2024 auf dem Blinzern-Plateau”

  1. Beate Grundlehner sagt:

    Sehr schön, sinnvoll und von Herzen! Und das mit der Politik verbinden! Das brauchen wir!

    1. tanjabauer sagt:

      Vielen Dank für diese motivierende Rückmeldung!